Der Herbst lässt die Würfel fallen.

Oder: Der Herbst macht ehrlich.

Wie ich den Herbst liebe!
Die Jahreszeit des warmen Lichts, der bunten Farben,
der letzten milden Abende –
soweit das Rahmenprogramm.

Der Herbst ist vor allem aber Erntezeit.
Das Einholen der Früchte,
das Abholen des Lohns, und –
die Abrechnung des ganzen Jahres.

Die Ernte zeigt, welche Mühe und Arbeit getan wurde,
zeigt, welche Überlegungen richtig waren, und
zeigt allfällige Versäumnisse.

Es gibt kein Schönreden, kein Schummeln.
Was in der Hand, im Kessel, im Keller liegt,
ist die einzige Wahrheit.

Zugleich ist der Herbst so befreiend,
denn nichts muss mehr sein.
Es ist, wie es ist.
Es hat, was es hat.
Die Würfel sind gefallen.
Die Ernte ist eingefahren.

Und dann…? DANN ist die Zeit zum Innehalten.
Dankbar, wieder ein Jahr in und mit der Natur geschafft zu haben.
Froh, die Ernte unter Dach zu haben. In Sicherheit.
Es ist getan.

Und dann… ist auch die Zeit, übers Leben zu sinnieren.
Wie so oft, suche und finde ich auch bei diesem Thema die Parallelen Winzer – Leben.

Der Herbst des Jahres,
Der Herbst des Lebens.

Auch da ernten wir die Früchte, die wir gehegt und gepflegt haben.
Der gesunde Körper, wertvolle Freundschaften, intakte Familie,
die Kunst des Flötenspiels, die Fertigkeit des Schnitzens.

Mit dem Herbst fallen die Blätter und auch die Masken.
Versäumnisse werden sichtbar, so wie die gute Saat.

Herbst heisst auch,
annehmen
was ist
und was nicht ist.
Und WIE es ist.

Der Herbst macht dankbar und demütig.
und
er macht ehrlich.

Carina Lipp, nach dem Wimmlet, Oktober 2023

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