Er reichte uns seine Hand,

…die feste Hand eines Landwirts, der seine Felder kennt.

Ah, ein Satz wie ein Bild. Vor dem inneren Auge erscheint  ein grossgewachsener Mann, sicheren Schrittes kommt er auf uns zu, streckt seinen Arm aus, eine einfache Bewegung, alltäglich.

Nun, in Zeiten des Social Distancing, mutet diese Bewegung schon fast etwas tollkühn, ja frech an. Ist sie nicht sogar verboten??

Der Satz stammt von einem Journalisten, der seinen Besuch bei einem Winzer beschreibt. Ein schöner Satz, finde ich. Jetzt aber, in dieser Zeit des Absandes, weckt er gar eine Sehnsucht in mir. Sehnsucht nach Gewohntem, nach Geschätztem. Wertgeschätztem. Ein bewusster Händedruck, so schlicht wie aufrichtig, erachte ich als eine viel stärkere Botschaft als die leidigen drei Küsschen.

Dieser kurze Moment, in dem wir uns die Hand geben, lässt uns bereits viel von unserem Gegenüber erahnen. Wie stark ist der Händedruck? Wie gross ist die Hand? Ist sie sehnig oder speckig? Hoffentlich nicht schwitzend-feucht.

Wenn man auf einem Weingut aufwächst, wachsen die Hände automatisch zu Werkzeugen heran. Hände, die zupacken können. Hände, die werken und wirken. Handwerker-Hände, quasi. Hammer, Kessel, Erde, Sträucher. Haptik, Struktur, Geruch, Konsistenz – die Welt zeigt sich auf verschiedene Arten und Formen.

Dass nicht bei allen Menschen dieses händische Leben zum Alltag gehört, wurde mir erst mit 16 Jahren bewusst, als ich meine KV-Lehre begonnen habe. Ich erinnere mich noch genau an die erste Woche im Büro, wie ich haupsächlich Papier in den Händen hatte, die Fingerbeeren berührten oft die PC-Tastatur und den Startknopf des Druckers und der Kaffeemaschine. Der Bostitch war dann schon so: «Hach, wieder mal was richtiges in der Hand!» Der Locher konnte es noch leicht steigern. Aber das war’s dann.

Doch vorwiegend Papier. Büroklammern. Es war das erste Mal, dass ich am Wochenende zuhause erbettelt habe, meine Hände in die Erde zu stecken, Dreck unter den Fingernägeln zu sehen, piecksende Äste zu schleppen.

Da wären wir wieder bei der Sehnsucht. Nach der starken Hand, die seine Felder kennt.

Mit festem Händedruck und sanftem Lächeln
Carina Lipp-Kunz

Übrigens, die Hände (siehe Bild oben) sind von mir. Einer Frau, die auf einem Weingut aufgewachsen ist.

 

 

 

 

 

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