Von der Kunst, Spuren zu hinterlassen.

Gerne wird davon geredet, dass Wein Kunst ist. Ein Kunstwerk von Mensch und Natur. Ein neuer Impuls dazu bekam ich letzthin an einer Vernissage. Die Galeristin ist kurz zuvor verstorben, die Stimmung war feierlich-besinnlich. Ich schenkte den Pinot Noir «Zeit.Lebensfreude.Liebe.» aus.
In einer kurzen Ansprache wollte ich den Besuchern – viele kannten die verstorbene Künstlerin persönlich – Hoffnung schenken:

«Ob Wein oder Kunst – beides ist Handwerk, beides entsteht durch Zeit und Hingabe, durch schöpferischen Prozess. Es kann die Betrachter und Geniesser sofort begeistern, oder auch erst später oder ganz spät. So spät vielleicht, dass sie unser irdisches Dasein überleben. Ein Bild oder ein Wein, entstanden im Jetzt, kann Spuren hinterlassen, die uns überdauern. DAS ist doch etwas wunderbares!

Nanu – muss ich jetzt Künstlerin sein oder Winzer, um Spuren legen zu können, die mich überdauern? Oder kann das jeder Mensch, in seinem Tun oder Sein? Mit seinen – vermeintlich alltäglichen – Taten und Worten, mit seiner Art und der Erinnerung, wie man sich gefühlt hat in seiner Nähe?

Spuren zum Hinterlassen…
…ein Gartenbeet, angelegt mit guter Erde
…ein geschriebener Brief
…die gehäkelten Topflappen
…ein gemauertes Haus
…ein erfundenes Gedicht
…ein gesungenes Lied
…eine getöpferte Vase
…ein gepflanzter Baum
…das gestrahlte Lächeln
und eben
…das gemalte Bild
…ein gekelterter Wein.

Wenn ich Spuren hinterlassen möchte im Herzen von anderen Menschen, muss ich Hände und Herz hervor nehmen.
Und nicht das Smartphone.

Die geliebte Galeristin hat das gewusst. Deshalb ist unser Herz so voll, der Abschied so schwer – und doch so tröstlich.»

Spuren legen und Spuren erkennen,
ich wünsche Ihnen das.

Carina Lipp, 9. Februar 2023

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